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Therapie und Arbeiten- geht das?
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Therapie und Arbeiten- geht das?
Hallo zusammen,

ich habe gerade ein vielleicht ungewöhnliches Problem, aber für mich ist es eins und ich weiß gerade nicht wirklich weiter.

Ich habe mein Leben lang immer irgendwie funktioniert und nach außen hin habe ich ein super tolles und erfolgreiches Leben geführt. Was unter anderem auch dazu geführt hat, dass ich in einem Managerjob arbeite, der mich stark fordert. Aber es war immer nur eine schöne Fassade und ist mal wieder zunehmen schwer aufrecht zu erhalten.

Jetz habe ich durch Therapie gelernt, dass das ein sehr starker ANP ist, der dieses Leben gelebt hat. Noch dazu einer, der genre alles im Griff hat und unter Kontrolle. Im Innerne wie im Äußeren. Der zwar um das Vielesein weiß, aber das gerne als unwichtig "Verdrängt"
Aktuell lerne ich, dass alle Anteile eben Teil von uns sind und auch Raum und Zeit brauchen. Und das nicht nur in den 50 Min Therapie wöchentlich. Ich weiß nicht, wo ich diesen Raum schaffen soll. Neben dem Job habe ich noch Familie, die auch versorgt sein will.

Ich mache jetzt sein März, nach meinem Klinikaufenthalt Juli - Dezember 2018 wieder Therapie mit einer neune Therapeutin und ich merke, wie ich nach und nach im Chaos versinke.
Ich fange an nichts mehr auf die Reihe zu bekommen.
Konzentration nahezu nicht möglich. Immer Angst. Furchtbare Nächte. Mein Körper fühlt sich an wie schlaffes Gummi. Habe das Gefühl, das meine Beine wegbrechen jeden Moment...

Ich schaffe meine Job einfach nicht mehr, aber ich kann irgendwie auch nicht loslassen. Ich liebe ihn auch, habe mir viel aufgebaut. Aber ich weiß sehr deutlich, dass ich am absoluten Limit laufe und in der Therapie nicht wirklich weiter komme, weil ich dem allem, durch den Job keinen Raum gebe. Eben das alte Muster. Workoholic.
So erreiche ich garnichts.

Sinnvoll wäre sich einzugestehen, dass wir so durcheinander sind, das Therapie wichtig ist und sein muss und vorrang haben muss. Nur so kann es besser werden.

Ist es wirklich so, dass beides vielleicht nicht geht? Ist es richtig sich Zeit zu nehmen und im "Vielesein" anzukommen und solange nicht zu arbeiten?
Mir fällt es schwer mir einzugestehen, dass es vielleicht angebracht wäre. Ein Teil von mir, "prügelt" mich regelrecht vorwärts ja nicht auf zu geben, ja nicht einzubrechen.
Er flüstert mir ein, dass ich dann wertlos bin, wenn ich das nicht mehr hinbekomme. Und schwach. Und bemittleideswert. Abschaum.....

Ist das einfach ein Anteil der Täterloyal ist und nicht will, dass in der Therapie Dinge weiter und eingehend beleuchtet werden?

Wie macht ihr das? Wie ging das für Euch? Wie seid ihr angekommen im Vielesein, falls ihr eine ähnliche Struktur habt? Wer hat euch innerlich vielleicht blockiert? Habt ihr euch zugestanden, das ihr Zeit braucht um "gesund" zu werden?

Ich habe Angst vor alle dem was folgt. Ich habe nur noch 8 Monate, dann wären die 78 Wochen Krankschreibung um. Was dann?
Was für ein Leben werde ich führen, wenn ich wirklich anfange allem Raum zu geben?

Ich weiß, dass ich eine Entscheidung treffen muss, sehr bald. Ich bin für jeden Tipp dankbar.

VieleLeben
Hallo VieleLeben,

ich hab aktuell das gleiche Problem. Hatte jetzt die zweite Therapiesitzung und obwohl wir die eigentliche Konfrontation erst im Juli machen, komme ich weder mit früher und im Heute nicht mehr klar. Und gleichzeitig hab ich soviel Aufträge wie nie... Heute morgen hab ich den Termin verpeilt, den ich seit 2 Jahren immer freitags gebe. Das Chaos greift um sich. Trage mir jetzt alles in den Kalender ein, sogar private Alltagssachen... So geht's halbwegs, - hoffe ich. Mir hilft ausserdem viel Schlaf. Und ich mache drei Mal am Tag was für die kindlichen Anteile. Heute gab's Eis, Kaffe aus der Einhorntasse und vor dem Schlafen lese ich ein Kinderbuch, das mir früher so gut gefallen hat. Wenn du jüngere Kinder hast, kannst du nach Herzenslust malen, bauen, Kinderlieder singen. Ich weiss seit Kurzem, wie alt der abgespaltene Anteil ist und versuche, dafür altersgerechte Kindersachen im Alltag einzubauen. Wenn ich nur Erwachsenendinge wie Arbeit, Familie und Haushalt mache, dann bin ich schnell ausgebrannt von der Energie. Jetzt versuche ich, mindestens drei Mal pro Tag Energie mit Kinderspass zu tanken. Mein Akku wird auch schneller leer, aber er hält länger durch.

LG

Noc
Hallo VieleLeben,

ich weiß nun schon seit 4 Jahren, dass ich beides zusammen nicht hinbekomme. Und obwohl meine Leistungsfähigkeit schon auf ein Minimum gesunken ist, schaffe ich es nicht loszulassen, weil die Angst zu groß ist, dass etwas leisten zu können nie wieder kommt und mich selbst viel zu sehr zu verändern, so dass nichts mehr übrig bleibt, was ich respektieren kann. Es ist absolut nicht hilfreich und völlig sinnlos. Wenn Du also die Chance hast loszulassen, dann hampel nicht so lange rum wie ich.

LG
Say
Hallo vieleLeben,

also ich will dich ja nicht demotivieren, aber ich muss sagen dass mein workaholic sein seit der vollen Erwerbsminderungsrente kein bisschen besser geworden ist, ich hab auch keine eigene Familie, keinen eigenen Haushalt, ich müsste eigentlich überhaupt gar nichts mehr machen, trotzdem mach ich so viel Nebenjob wie von der Kraft her nur irgend möglich ist, mach den ganzen Tag Haushalt und im Garten, versorg andere Leute, beschäftige mich mit e-mails schreiben, schaff mir da so viele Brieffreunde an bis ich auch da an der absoluten Leistungsgrenze bin, lenk mich die ganze Zeit ab, organisiere sinnlose Treffen und Besuche die eigentlich keiner will und auch niemand braucht... kurz um obwohl ich rein theoretisch gar nichts zu tun habe und absolut nichts machen müsste, schaff ich es immer noch mein Leben so einzurichten dass ich manchmal nur kurz vorm schlafen gehen ein paar Minuten "für mich" habe. Von den Anteilen mal ganz zu schweigen.
Ich fürchte echt das workaholic sein ist ein inneres Einstellungsproblem und hat mit der realen Arbeitslast gar nicht so viel zu tun. Im Grunde ist es einfach nur eine Flucht. Man läuft die ganze Zeit vor sich selbst davon und redet sich damit raus dass man ja so viel zu tun hat und keine Zeit für nichts, und wenn jemand daher kommt und mir alle regulären Arbeiten weg nimmt, dann suche ich mir sofort neue. Und wenn jemand kommen würde und mir auch das alles was ich jetzt mache noch wegnehmen würde und mich in den Urlaub schicken würde, dann würde ich am Ende den ganzen Tag total verbissen Steinchen am Strand sortieren und immer noch behaupten leider keine Zeit zu haben um mich um mich und uns zu kümmern.
Es ist total schrecklich. Und ja das alles immer nur aus dem Gefühl heraus sonst wertlos zu sein wenn man nicht die ganze Zeit was macht und tut. Oder einfach auch aus der Angst heraus was dann alles auf einen einstürzt an unaushaltbaren Emotionen wenn man nur mal kurz inne hält.

Will nur sagen, ist nicht unbedingt ein Automatismus dass du dann "mehr Zeit für dich" haben würdest wenn du die Arbeit aufgibst. Wenn du da so ähnlich drauf bist wie ich, dann füllst du die Lücke sofort zwanghaft mit anderen Dingen.

Für mich war es trotzdem richtig damals die Arbeit aufzugeben, weil ich meinen Beruf nicht wirklich leiden konnte. Aber ich wüsste nicht wie ich mich entschieden hätte wenn ich ihn so wie du geliebt hätte, oder mir da schon viel aufgebaut hätte was ich nicht verlieren wollen würde. Ich glaub das kann wirklich jeder nur für sich selbst entscheiden.
Ich hab es damals auch zwei Jahre lang mit Teilzeit versucht, wäre das vielleicht noch eine Option? Vielleicht kannst du irgendwie Stunden reduzieren? Oder manche Betriebe und Tätigkeitsformen lassen es auch zu dass man sich mit jemanden eine Stelle "teilt".
Vielleicht solltest du erst mal sowas überlegen bevor du dich vor so eine radikale "ganz oder gar nicht" Entscheidung stellst.

LG
Silberherz
Hallo VieleLeben,

loslassen? Bei uns unmöglich. Kontrolle abgeben? Keine Option. Ich habe Angst, dass dann alles zusammenbricht um mich herum und vor allem, dass ich zusammenbreche und nicht wieder aufstehe. ich weigere mich schon seit geraumer Zeit, eine Traumatherapie in Anspruch zu nehmen, mich auf die ambulante Therapie so richtig einzulassen, mich krankschreiben zu lassen usw. Ich habe mit einem Teilzeitjob angefangen, mal sehen wie es läuft, und arbeite inzwischen so viel wie alle anderen, nämlich über 100 Prozent. Und wenn ich sehe, dass ich, oh bewahre, einmal ein paar Tage freinehmen soll, fülle ich diese Tage im Voraus schon mit so vielen Terminen, Freunde treffen etc., dass ich keinen einzigen davon so richtig genießen kann. Egal, Hauptsache nicht nachdenken, nicht mit den Dingen beschäftigen, den Vielen keinen Raum lassen. Bloß nichts Negatives aufkommen lassen. Denn, und das hatte ich erst kürzlich, lasse ich mich versehentlich darauf ein, funktioniert hier gar nichts mehr. Dass ich mir zu dieser Zeit nicht auch noch meinen Namen aufschreiben musste war noch alles. Ich habe mitten im Satz vergessen, um was es ging, stand im Laden und wusste nicht mehr warum, habe Termine verpasst und was es halt so alles zu vergessen gibt. Dazu war ich ständig erschöpft und dauerdepressiv. Ich konnte mich so nicht ausstehen. Dennoch weiß ich, dass es unumgänglich sein wird, diese Phase, vor der ich mich so fürchte, vollständig zu durchlaufen, möchte ich einen Grad der Besserung in der Kommunikation und auch im allgemeinen Wohlbefinden erreichen. Ich weiß nur noch nicht, wann genau das sein wird, denn jetzt gerade habe ich keine Zeit dafür. Ich muss mich um meinen Job, meine Kinder, meine Freunde und meine Familie kümmern. 

Ein ewiger Kreislauf, ausser ich unterbreche ihn selbst, das ist mir bewusst. Doch was soll ich dann den ganzen Tag lang tun? Bevor ich etwas zurückstecke, um der Therapie und unser aller Willen, möchte ich erst eine Tagesstruktur für mich/für uns erarbeitet haben. Sonst sehe ich da keine Chance für uns. Daran arbeiten wir gerade in der Therapie. Wie lasse ich los? Was tue ich für mich, wenn ich nicht arbeite (und nein, dazu gehört nicht, den Keller auszuräumen, die Kinderzimmer zu streichen oder das Haus zu renovieren), was brauchen die anderen Anteile usw. Vielleicht wäre das ja eine Idee, gemeinsam mit der Therapeutin und wer noch teilnehmen möchte eine Tagesstruktur entwerfen und erstmal nur Teilzeit zu arbeiten? Sehen wie das läuft?

LG
Silver
Hallo an Alle,

erst einmal ganz lieben Dank für eure Antworten. Ich bin berührt, dass hier so schnell und  intensiv geholfen wird.

In jeden von euren Antworten finde ich mich wieder.

@Noctune: Ja, das alles was du schreibts kenne ich genau so. Einziges Problem bei mir, meine Anteil der arbeitet ist auch der, der den anderen einfach keinen Raum lässt, besonder in Mementen, wo er das Gefühl hat, dass "er" nicht mher funktioniert. Dann wird das "wir" um so mehr ignoriert und ein Teufelskreis beginnt. Danke, dass du mich daran erinnert hast, dass ich dafür sorge, dass irgendwie Zeit für die Kinder ist. Dann wird vieles vielleicht schon wieder besser.
Das mit viel Schlaf, ja das hilft mir an sich auch. Da ich nie einen Schlafrythmus entwickelt habe, steuere ich ihn mit Medikamenten, was an sich gut geht. Leider verlagert sich im Moment alle Wahrnehmung bzw. die Nichtwahrnehmung in die Nachtstunden. Die skurielsten Alpträume verfolgen mich, so intensiev, dass ihre Bilder auch Tags immer wieder auftauscchen....


@Silberherz: Ja, da ist vieles dran. Mir ist schon bewusst, dass es auch neue Wege geben wird, in dem die selbe Ablenkung greift. Weil Arbeit aber ganu intensiv mit einem Anteil verbunden ist, hoffe ich, dass wenn Arbeit wegfällt, er sich zurückzieht. Das hat für die Klinikzeit gut geklappt. Es gab quasi einen Vertrag. Auch jetzt gab es den eigentlich, aber in em Moment wo Therapie an wunde Punkte gekommen ist, hat er, dieser Anteil, rigoros die Kontrolle übernommen.
Letztendlich ist es wie mit jeder Sucht, das Suchtmitte muss weg und halbtags ist irgendwie nur eine halbe Lösung. Ich habe das Gefühl, ich brauche, zumindest eine Weile, eine radikale Lösung. Wenn ich ehrlich bin. ist es Ressourcen technisch schon nicht wenig Therapei und Familie konsequent umzusetzten.



@Silver: Ist ja nicht das erste Mal, dass wie feststellen, wie ähnlich unsere Strukturen sind. Aber genau das was du schreibst, die Angst vor dem Kontrollverlust. Oh, ja, dass ist dass was ich mit Struktur und viel Arbeit versuche einzudämmen. Aber das wird mich icht weiterbringen. Es wird immer der Status quo bleiben und das ist eigentlich nicht o.k.
Eine Stimme flüstert mir, dass ich Arbeit und Struktur lassen muss, für eine Weile, dass ich den Mut haben muss, mich in das Chaos fallen zu lassen. Es wird schlimm sein, eine Weile, aber dannach ist ein ganz neues Leben möglich. Die Angst vor uns selber und vor unseren Gefühlen und Anteilen, sie blockiert uns....Ob ich wirklich je den Mut haben werde? Aber ich sollte es wenigstens versuchen und nicht immer wieder weglaufen oder?
Das mit dem Tagesplan, das nehme ich mit. Das werde ich mit meiner Therapeutin erarbeiten, damit der Übergang ohen Arbeit, wenn ich so entscheide auch hinhaut! Danke!


@Say: Hey, schön dich kennenzulernen, oder zumindest dich zu hören. Deine Worte sind so unfassbar ehrlich und aufrichtig. Danke. Genau diese Worte wabern in mir rum. Die Angst nie wieder so Leistungsfähig zu sein, ist eine meiner Kernängste. Auch weil ich mich und meinen Wert über Leistung definierte. Aber genau so ist es. Ich kann mich weiter und weiter im Kreis drehen, oder endlich los lassen und nicht mehr rumhampeln! Genau das ist es. Ich hampel rum! Danke für diesen verbalen Arschtritt!


VieleLeben
Hallo VieleLeben, ich stelle mir vor ich stehe auf einem Seil, gespannt zwischen zwei Häusern. Meine Aufgabe von einer Seite zur Anderen zu kommen. Ich trage einen Rucksack, da steckt drin: meine Familie, meine Arbeit, meine Freunde, etc... Ich habe die Aufgabe auf dem Seil zur anderen Seite zu kommen. Ich kann das Gleichgewicht nicht halten, bin noch keinen Schritt gelaufen, halte mich kramhaft am Schornstein fest. Eine Aufgabe, die ich nicht schaffen kann, weil ich zu viel Kilos mitschleppe, im Rucksack und auf meinen Rippen. Ich versuche es trotzdem, ein Schritt. Das Seil wackelt furchtbar und ich bekomme Angst. Ich spüre wie der Schweiß mir den Rücken runter läuft und ich habe das Gefühl vor lauter Konzentration keine Luft mehr zu bekommen. Schnell greife ich zurück und halte mich am Schornstein fest. Habe nun weiche Knie, alles verschwimmt mir vor meinen Augen. Ich putze meine Brille. Nein, die war nicht dreckig. Erneut versuche ich es. Wieder scheitere ich. Ich muss auf die andere Seite. Es ist wichtig, lebenswichtig. Ich kontrolliere meinen Rucksack. Er ist schwer. Kann ich was dalassen? Nein, geht nicht. Ok. Ich atme ein und konzentriere mich. Ein erneuter Versuch.
Dann ein Gedanke, nur klein, doch da: "Atme weiter, ganz ruhig!".
Ich versuche wieder den ersten Schritt. Ich zittere erneut. Nein, so nicht. Wieder zurück zum Schornstein. Tränen laufen mir die Wange runter. Ich bin verzweifelt.
Ein Gedanke, ein Wort, weit weg: "Ich bin leichter, lass mich das machen, nur ein Stück!"
Wieder ein Gedanke: "Schau nicht nach unten, such dir einen festen Punkt auf den du schaust."
Ich versuche wieder loszugehen. Fester Punkt, ah da. Ich gehe ein Stück, ich fange an zu wackeln, das Seil. Ich kann mich nicht halten und falle. Nein, ich halte mich am Seil, hänge am Seil, Beine überschlagen. Ziehe mich zurück, da das Dach. Meine Füße stehen wieder auf dem Dach, finden halt. Ich ziehe mich hoch und halte mich erneut am Schornstein. Ich bin total am Ende. Alles rauscht.
"Atme!"
Dann: "Lass mich das machen, nur ein Stück, ja"
Ich schließe die Augen und atme, tief, dann lass ich los. Ich spüre noch wie mein Körper sich bewegt, das Seil unter meinen Füßen.
"Atme!"
Ich mache die Augen auf und bin auf der anderen Seite. Aber, ich, .... wann,.... wie?
Ich lausche nach Innen und höre nur: "morgen tanzen wir Tango auf dem Seil!"
Am nächsten Tag, stehe ich wieder da, am Seil, halte mich am Schornstein. Der Schweiß läuft mir bereits über das Gesicht.
Wie war das nochmal?
"Atme"

Das Seil ist mein Leben.
Hallo kleine Wölfin,

vielen Dank für dieses eindrückliche Bild. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Ja, an vielen Stellen fühlt es sich genau so an. Vor allem dieses ich würde genre, aber ich kann einfach nicht. (Oder will ich nicht?)

Ich habe heute innerlich eine Entscheidung getroffen. Es ist Zeit mich, uns, alles ernst zu nehmen. Ich hatte damals vor der Klinik und der Wahrheit unfassbar Angst und trotzdem bin ich "gesprungen". Das war damals richtig und gut. Also werde ich genau das wieder tun. Auch wenn ich aktuell überhaupt nicht sehen kann, was vor mir liegt, ist es einfach doch so, dass nur wenn ich den Mut habe etwas zu ändern, es auch besser werden kann. Ja, es wird vielleicht auch schlimmer werden, zunächst, aber ich habe wenigstens einen Menschen getroffen, der durch den ganzen langen Therapieprozess gegangen ist und gesagt hat, es hat sich gelohnt. Auch meine Therapeutin sagt das und sie hat schon einige durch das alles gebracht.
Ich bin doch einfach doof, wenn ich die Chance, die ich jetzt habe nicht nutze und wieder weglaufe. Wie viele Chancen wird mir das Leben denn noch geben?

Jetzt wo die Entscheidung innerlich getroffen ist, merke ich wie eine unfassbare Erleichterung Innen eintritt. Ich habe das Gefühl, mir wird signalisiert, wieder auf dem Weg zu sein. Es wird unfassbar schwer werden, das meinem Chef zu sagen. Ich werde mich wie einer Versagerin fühlen. Aber ich denke es ist einfach richtig.

Danke euch allen, für die Unterstützung!

VieleLeben
Hallo VieleLeben,

ich finde deinen Entschluss sehr mutig und ich hoffe, du findest was du suchst auf deinem neuen Weg. Und ich wünsche dir alles erdenklich Gute. Vielleicht erfahre ich ja über deinen Blog wie es dir so damit geht.
Deine Entscheidung macht mir Mut, meiner eigenen ein Stück näher zu kommen. Ich hoffe, ich werde eines Tages die für uns richtige Entscheidung treffen. Man kann es nicht wissen, wenn man es nicht probiert, richtig?

LG
Silver
"Ist es wirklich so, dass beides vielleicht nicht geht? Ist es richtig sich Zeit zu nehmen und im "Vielesein" anzukommen und solange nicht zu arbeiten?"

Ich arbeite Vollzeit als Viele-Mensch. Es ist durchaus auch möglich, das eine muss nicht unbedingt mit dem anderen etwas zutun haben.
Sofern es finanziell möglich ist, würde ich durchaus schauen erstmal mich so zu stabilisieren, dass ich meine Ziele erreichen kann. Die Ziele sollten vorher definiert werden und auch Plan B.
Das Viele-Sein habe ich ja bereits seit meiner Kindheit (wie alle mit der Diagnose), das ist also nicht wirklich etwas neues. Als ich vor hm einigen Jahren meine Diagnose bekam, war sie letztlich nur die Bestätigung meines Erlebens. Ich habe zu dem Zeitpunkt zuvor viele Kliniken hinter mir gehabt, bis ich endlich zur richtigen Diagnose kam. Die Stabilisierung ist die Vorraussetzung für das Arbeiten, das ist aber egal ob Vielemensch oder nicht.
Es kommt auf den individuellen Fall an, wie es dem System geht und wie stabil sie sind oder bereits dies in Angriff nehmen. Manche können das, manche sind dabei und manche müssen sich andere Ziele als "arbeiten" setzen.

"Mir fällt es schwer mir einzugestehen, dass es vielleicht angebracht wäre. Ein Teil von mir, "prügelt" mich regelrecht vorwärts ja nicht auf zu geben, ja nicht einzubrechen."
Du kannst so weitermachen wie bisher, dann rechne aber auch damit, dass ein Systemzusammenbruch in der nächsten Zeit ansteht. Ob dies Tage, Wochen oder sogar Jahre sind, weiß man nicht. So ist dein Handling aufjedenfall nicht gesund. Aber wer will schon immer gesund handeln :/

"Er flüstert mir ein, dass ich dann wertlos bin, wenn ich das nicht mehr hinbekomme. Und schwach. Und bemittleideswert. Abschaum.....
Ist das einfach ein Anteil der Täterloyal ist und nicht will, dass in der Therapie Dinge weiter und eingehend beleuchtet werden?"
Ich würde nicht sagen, dass jener täterloyal ist, aber vielleicht ist er derjenige der diese Schallplatte aufgenommen hat und eben andauernd abspielt, so wie es eben erlernt wurde?
In diesen Aussagen verkapselt sich das Erlebte aus der Vergangenheit, diejenigen haben all das aufgenommen.
Es wäre an der Zeit mit dem Therapeuten über diejenigen destruktiven Anteile zu sprechen...

"Wie macht ihr das? Wie ging das für Euch? Wie seid ihr angekommen im Vielesein, falls ihr eine ähnliche Struktur habt? Wer hat euch innerlich vielleicht blockiert? Habt ihr euch zugestanden, das ihr Zeit braucht um "gesund" zu werden?"
Andauernd und bedingungslose Selbstreflexion, radikale Akzeptanz von allen so gut wie möglich (nicht dass das immer funktioniert...), wertfreies zuhören, absolut strukturierte Innen und Außenorganisation. Gesund, was ist das? Wir leben als Viele-Mensch und haben trotzdem bis dato überlebt, wir zerfleischen den Körper nicht mehr bis kurz vorm Tod, wir gehen arbeiten und haben uns viel aufgebaut aus eigener Kraft. Das ist für mich bereits nahe an gesund, wir bleiben aber viele.

"Ich habe Angst vor alle dem was folgt. Ich habe nur noch 8 Monate, dann wären die 78 Wochen Krankschreibung um. Was dann?"
Besprich das mit den fachspezifischen Stellen, welche Möglichkeiten gibt es? Umschulung, Teilzeit, Minijobs etc.? Da gibts tausend möglichkeiten, aber du musst erst dein Ziel definieren.
Also wir zumindest sind seit unserem damaligen Austritt aus der Arbeitwelt nicht wieder arbeitsfähig geworden. Aber wir machen auch keine Therapie.
Es ist seit dem innerlich und äußerlich, seelisch und körperlich, alles ruhiger geworden, stabiler. Aber auch sinnloser. Wir fühlen uns seit dem als wären wir schon tot. Aufs Abstellgleis geschoben, ohne Zukunft. Und ja auch wie erbärmliche Versager. Irgendwo. Aber nicht bewusst. Eher unbewusst. Die Gesellschaft definiert sich eben über Erwerbstätigkeit. Wen man da raus ist, dann ist man auch ganz raus. Egel wie viel Geld man hat oder was man sonst noch so macht. So empfinden wir es jedenfalls. Aber ich weiß auch nicht ob sich Lebenssituationen allgemein vergleichen lassen. Ich weiß nicht ob es anders wäre wenn man eine eigene Familie hat oder noch zig ehrenamtliche Tätigkeiten.
Ich mein klar man kann sich den ganzen Tag beschäftigen und auch total wichtige Dinge tun, zuhause, aber das ist dann eben wirklich was anderes als arbeiten zu gehen.

Prinzipiell finde ich es ja auch eine gute Entscheidung auszusteigen, aber ich weiß nicht ob es wirklich für jeden in jeder Situation die richtige Entscheidung ist. Und ich glaube wie gesagt auch nicht dass andere das von außen beurteilen können.
Es hat beides seine Vor- und Nachteile, sich weiter durchzukämpfen trotz allem, oder anzuhalten und auszusteigen.

Als wir damals ausgestiegen sind hätten wir nicht gedacht, dass es ein Ausstieg für immer sein würde, aber darauf läuft es auf Grund von verschiedenen zwingenden Sachlagen nun hinaus.
Absurder Weise warte ich seit dem förmlich darauf dass sie die immer auf drei Jahre befristete Rente mal nicht mehr weiter verlängern, aber sie tun es, immer und immer wieder. Warum frag ich mich dann immer, wir haben doch gar nichts, und doch schaffen wir an manchen Tagen nicht mal unsere 1,5 Stunden Minijob.
Ich weiß wirklich nicht ob mein Leben so geplant war, aber inzwischen gibt es auch keinen Ausweg mehr aus der Sackgasse "Erwerbsunfähigkeitsrente" in die wir uns reinmanövriert haben.
Man möge daher entschuldigen dass wir nicht grade enthusiastisch jedem empfehlen das auch zu tun.
Man sollte bei allen was viele sein und Therapie angeht auch nicht unberücksichtig lassen, dass dieser erwerbslose Zustand auf Dauer letztendlich das selbe mit einem macht wie er eben mit allen Langzeitarbeitslosen macht.
Und das finde ich persönlich halt nur sehr bedingt empfehlenswert.
Aber vielleicht ist das mit einer eigenen Familie ja auch alles ganz anders.

Hm, ja genau, da geb ich Mirabella Recht, du @vieleLeben solltest echt nicht in so eine Situation reingehen ohne vorher ein Ziel oder Plan zu haben, was genau du in der Zeit für dich/euch erreichen willst. Damit du dann nicht darin versumpfst und nie wieder raus kommst.
Hi Mirabella, hi Silberherz,

ja, die Idee mit Ziel und Tagesplan, das ist absolut gut und Richtig der Fall. Ich bin Projektmanagerin, ich kann garnicht anders denken. Ehrlich gesagt ist mein Ziel, mit der Therapie weiter zu kommen und sie irgendwann auch "abzuschließen". Mir geht es da an vielen Stellen eher um die PTBS- Sympome und nicht zwingend um das Viele Sein. Ich fange im Grunde ja gerade erst richtig an mit Therapie als Viele.

Mein Gedanke ist: Jetzt geht Familie und Therapie parallel. Wenn das geht, dann geht irgendwann auch Familie und Arbeit wieder parallel. Ich habe heute tatsächlich mit meinem Chef geredet und seine größte Sorge war, das ich an Kündigung denke. Er sagt, aus seiner Sicht ist das nichts andere, als wenn ich noch ein Kind bekommen würde und eben 2-3 Jahre raus bin. Es ist halt ein entwas anderes Kind, dem ich mich zuwende.

@Mirabella:
Ich habe auch die letzten Jahre als Viele-Mensch Vollzeit gearbeitet. Und klar geht das. Aber eben scheinbach für mich nicht auch noch Therapie und die Konfrontation mit der Vergangenheit dazu. Zumindest nicht ohne mich zu überlasten.
Für mich dazu kommt, einem meiner Hauptanteile war bis vor kurzem nicht klar, dass wir viele sind und das war der, der immer die Arbeit genutzt hat zur Ablenkung und uns getrieben hat. Er ist der, der Angst vor dem Viele Sein hat. Und der seinen eigenen Selbstwert nur durch die Arbeit definiert. Das alles hat vor allem er in der Klinik gelernt, den Rest zu akzeptierne. Ich/wir haben einfach schlecht gemanget, dass es wieder so krass wurde mit dem "Wegschieben". Da hat einfach mal das alte Muster gegriffen und das hat zu zimlich viel Chaos geführt innerlich.


Für mich geht halt einfach scheinbar nicht Arbeit, Therapie und Familie. Ich habe nur Ressourcen für zwei Sachen. Das ist eine Tasache, der ich mich stellen muss. Ob ich zu schwach bin? Keine Ahnung. Andere bekommen Job und Familie schon nicht hin. Vielleicht erwarte ich einfach auch zu viel, oder habe es getan und ich habe es jetzt zum Wohl aller Anteile "korrigeirt".

Ich glaube und hoffe noch, das Therapie uns weiterbringt. Aber das Gesamtsystem hat eben nur Kraft für zwei und nicht alle drei Dinge. Ich habe mich nun für Therapie und gegen Arbeiten entschieden. Die Familie steht einfach nicht zur Dispisition. Ich weiß nicht, ob das richtig ist und ich weiß nicht wo mich das hinführt. Ich weiß nicht, wie ich nach der Krankschreibung mich absichern werde. Im Zweifel bleibt nichts als die Erwerbsminderungsrente... Wir werden sehen. Jetzt stehen wir erst mal an der Startlinie und kennen wieder unsere Richtung.

VieleLeben
Für mich ging Arbeiten oder eine Ausbildung und einen Abschluß haben überhaupt nicht ohne vorher in Kliniken und Therapien stabil zu werden. Erst nach der Zeit und nach der Stabilisierungsphase war es mir überhaupt möglich zu arbeiten und jetzt habe ich meine Nische gefunden, bei der ich auf dem 1. Arbeitsmarkt sehr gut zurecht komme.

In deiner Frage ging es allerdings um Viele sein und Arbeiten
"Ist es wirklich so, dass beides vielleicht nicht geht? Ist es richtig sich Zeit zu nehmen und im "Vielesein" anzukommen und solange nicht zu arbeiten?"

Wenn du PTBS Symptome hast die deinen Alltag derart beeinträchtigen ist das wiederum eine andere Geschichte.

Silberherz hat genau das beschrieben, was ich immer als große Sorge sehe bei EU-Rente (=/= Erwerbsminderungsrente). Einmal ganz raus, schwer der Wiedereinstieg, das muss äußerst gut bedacht werden.
Ich würde übrigens auch nicht sagen dass das viele sein an sich einem am regulär arbeiten gehen hindert, sieht man ja an den ganzen Gegenbeispielen. Vielleicht nicht mal die PTBS unbedingt.
Bei mir waren es hauptsächlich die schweren Depressionen und die leichte bis mittelgradige Dauer-Dissoziation, sowie diverse körperliche Probleme.
Ich bin mir sicher wenn man einen guten Job hat und genügend stabil ist, dass dann auch das ganze System Spaß am arbeiten haben kann. Selbst die Kleinen können dann irgendwas zwischendurch mal erledigen. Setzt natürlich vorraus dass man sich vorher schon eine weitgehende Cobewusstheit und gute Innenorganisation erarbeitet hat.
Hallo VieleLeben,




Zitat:Aktuell lerne ich, dass alle Anteile eben Teil von uns sind und auch Raum und Zeit brauchen. Und das nicht nur in den 50 Min Therapie wöchentlich. Ich weiß nicht, wo ich diesen Raum schaffen soll. Neben dem Job habe ich noch Familie, die auch versorgt sein will.

Möchtest du überhaupt Dir diesen Raum schaffen?
"Lernst" Du all das in der Therapie oder nimmst Du es auch tatsächlich für Dich wahr?

Welche Prioritäten magst Du in Deinem Leben setzen, also was ist DIR wichtig? (Unabhängig von Therapie... denn sollte es nicht um Deine Vorstellungen auch gehen?)

Du kannst ja auch hinterfragen, was zum Beispiel gemeint sein kann mit folgendem:

Zitat:Ist es wirklich so, dass beides vielleicht nicht geht? Ist es richtig sich Zeit zu nehmen und im "Vielesein" anzukommen und solange nicht zu arbeiten?

Mir fällt es schwer mir einzugestehen, dass es vielleicht angebracht wäre. Ein Teil von mir, "prügelt" mich regelrecht vorwärts ja nicht auf zu geben, ja nicht einzubrechen.

Er flüstert mir ein, dass ich dann wertlos bin, wenn ich das nicht mehr hinbekomme. Und schwach. Und bemittleideswert. Abschaum.....

Ist das einfach ein Anteil der Täterloyal ist und nicht will, dass in der Therapie Dinge weiter und eingehend beleuchtet werden?


Denn ich persönlich würde diese "Stimme" nicht als "Täterloyal" bezeichnen, sondern eher ein "gesellschaftliches Weltbild", wessen Meinung offenbar in Dir sich gefestigt hat (Vorurteile). Also dass es Deine Ängste sind, dann von anderen so gesehen zu werden. Oder das Du Dich selbst so siehst.... zumindest ein Teil von Dir.


Dieser Teil könnte vielleicht "abgemildert" werden, indem zum Beispiel klare Ziele und Vereinbarungen getroffen werden. Was in der Zeit der "Arbeitslosigkeit" bewältigt wird. Was nach dieser Zeit besser sein wird und so weiter.

Deine Worte hingegen wirken auf mich eher so, als würde die Initiative primär vom Therapeuten angeregt werden und Du ziehst lediglich mit.

Welche Ziele gab es tatsächlich, um in Therapie zu gehen?
Nach welchen Bedürfnissen sehnen sich denn die Anteile? 
Wie kann ein guter Umgang aus Arbeit - Familie und Zeit für sich entstehen?


Weiß Deine Therapeutin, dass Du *im Chaos versinkst*?
Wie versucht ihr, das Chaos zu bewältigen?
Durch Chaos können neue Wege entstehen. Aber nur, solange das Chaos berechenbar ist und bleibt....


Lieben Gruß an Dich :)
von mir


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