Nebelwesen
Wie den Kontakt bekommen?
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Wie den Kontakt bekommen?
Ich hab' festgestellt, dass verschiedene Menschen ganz unterschielich über inneres Kind bzw. über innere Kinder schreiben. Z.T. nervt mich das auch extrem, dass in der Fachliteratur, in der Therapie so ungenau mit den Begriffen um sich geworfen wird. Das macht's den Betroffenen ja nur noch schwerer duchzublicken. Und dann soll man mit sowas umgehen, was total schwammig erklärt wird.

Da muss man ein wenig sortieren.

Das Therapiekonstrukt des inneren Kindes gibt's schon 'ne Weile. Damit war einfach nur gemeint, dass z.B. total verkopfte und verkrampfte Menschen wieder ihre kindliche Seite von früher aktivieren sollten, nicht mehr nur Pflichten, Terminkalender und alle Gefühle im Sinne von perfektem Funktionieren abarbeiten, sondern mal wieder aufwachsen, raus aus dem Hamsterrad, raus aus dem Autopiloten, Gefühle nicht mehr unterdrücken, sondern zulassen. Da ging diese ganze Sache mit der Inneren-Kind-Arbeit eher so Richtung: Burnout auflösen. Leute, die nur noch geackert haben, die jede Schmerzgrenze überschritten haben, die eigene Bedürfnisse nicht mal mehr wahrgenommen haben, hat man angeleitet, doch mal zu überlegen, was denn früher als Kind so grundsätzlich wichtig war. Da kommt dann Beziehung, Spaß haben, Lachen, Spontansein,  Rumalbern usw. Es geht dabei eigentlich mehr darum, dass Menschen wieder genießen lernen und abschalten lernen, um wieder auch angenehme Zustände zu fühlen. Wenn man dieses innere Kind in der Therapie ansprach, dann ging's darum happy und ausgelassen zu sein. Es ging um die Freude, um die Unbeschwertheit, die ein gesundes Kind normalerweise empfindet.

So. Das war die  Ausgangslage zum inneren Kind.

Dann tauchten die ersten Therapeuten auf, die diese Arbeit mit dem inneren Kind bei Traumapatienten einsetzen wollten, weil sie wollten, dass sie auch an die Freudeseiten der Kindheit kommen. Das ging nach hinten los. Was die bei Trauma- und Borderline-Patienten fanden, waren nicht integrierte innere verletzte Kindanteile, die schrien, verstört waren, sich umbringen wollten, sich selbstverletzten, bockig waren, impulsiv, unzugänglich und so weit weg vom Erwachsenen-Ich, das zur Therapie ging, das nix half, diese Schmerzen und kindliche Depression aufzulösen.

Das wird immer wieder durcheinander geworfen und das verwirrt.

Mit dem Inneren Kind arbeiten hieß ursprünglich: Wieder Freudeerleben anzapfen und reaktiveren.

Aber mit verletzten nicht integrierten Innenkindanteilen arbeiten, das gehört in die Schematherapie, in die Ego-State-Therapie, das gibt's bei der Anteilsarbeit nach Reddemann und Huber und bei den EMDR-Therapeuten.

Das früher gemeinte innere Kind, war ein Kind, das integriert war (Gehirnnetzwerke, die nicht voneinander isoliert aktiviert werden) und dem ging's gut.

Das von den Traumatherapien gemeinte innere Kind und meistens sind's innere Kinder, also mehere, sind traumatisierte blutende, schreiende, wimmernde, einsame, verlassene und verratene Kinder. Wer in die Welt eines traumatisierten Kindanteils geht, der geht in die Welt des Schmerzes und der Angst.

Viele innere Kinder kommen brutal im Flasc hoch, überfluten das Alltags-Ich. Man weiß anfangs nicht, was los ist. Früher hatte man alles unter Kontrolle, man funktioniert. Aber es geht langsam los und wird schlimmer. Die Gefühle werden extrem und man versteht nicht, was mit einem los ist, warum kann man sich nicht mehr zusammennehmen wie früher. Es klappt nicht. Es ist, dass man sich selbst zusehen kann, aber man kann sich nicht helfen, man hat keinen Einfluß auf sich und seine Stimmung. Herkömmliche Therapien versagen, Ratschläge von Therapeuten, die sich damit nicht auskennen, bringen nix, es geht nix und man verzweifelt. Das machen innere Kinder normalerweise. So läuft's bei den meisten ab. Bei manchen Menschen ist es auch so, dass innere Kinder sich nur langsam zeigen, das sind schüchterne, die mal kurz aufflackern, gleich wieder verschwinden. Die nimmt man kaum war.

Ich muss sagen, dass ich mich chronisch ärgere, wenn ich über innere Kinder lese, weil der Großteil, der darüber geschrieben wird, ist so unverständlich, dass man nur die Hände über'm Kopf zusammenschlagen kann. Das geht dann von "Das gibt's nicht. Das ist Einbildung von Leuten, die aufmerksamkeitsgeil sind." bis "So'n bissl inneres Kind hat doch jeder, jeder hat ein inneres Kind, also sind wir alle auch ein bissl multiple. Dann kann 'ne DIS ja nix Schlimmes sein, sondern bloß 'n bissl anders als sonst.". Das klingt manchmal wie: "Ach, Krebs gibt's nicht." oder "Ah, ein bisschen Krebs haben wir doch alle.".

Das ist natürlich Quatsch, sowas zu schreiben und es verharmlost alles. Wenn man innere Kinder hat, dann heißt das, das in der eigenen Rübe einiges ganz schön kaputt ist. Dh, dass man an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, die das ganze Leben und das ganze Gefühlsleben massiv negativ beeinflußt, mit hohem Leidensdruck.

Ich hab' erst eine Reihenfolge rauskriegen müssen, wie ich vorgehe:

Wenn ein Flash da ist, wenn's mir schlecht geht, wenn innere Kinder sich melden, heulen, schreien, rasen, wütend sind, dann mach' ich erst mal nur die Gedanken langsamer. Wenn möglich sollte man gar nichts denken und sich auf die Atmung konzentrieren. Der Körper signalisiert dem Gehirn dann: Alles ok, keine Gefahr. Dann mache ich Skills, bis die Gefühle des inneren Kindes schwächer werden und der erwachsene Anteil mehr aktiviert wird, wenn die Anteile etwa gleichstark fühlbar sind, dann können sie miteinander am besten reden und miteinander sein. Diese Phase des Übergangs, wo das Gehirn unterschiedliche Netzwerke für unterschiedliche Anteile aktiviert, ist das Zeitfenster, in dem meiner Meinung nach die Vernetzung und Co-Bewusstsein die beste Chance hat. Und über dieses Miteinander entsteht eine Beziehung zwischen dem erwachsenen tröstenden Ich und dem kleinen verzweifelten Kind-Ich.

In der Schematherapie soll man nicht mit mehreren Kindern arbeiten, sondern man soll sie zu einem Inneren Kind zusammen fassen. Das halte ich aufgrund meiner Erfahrung für nicht gut. Die Schematherapeuten haben Angst, wenn sie mit mehreren Kindanteilen getrennt arbeiten, dann würde die Dissoziation zunehmen. Das nimmt man an. Therapeuten wie Peichl und Huber arbeiten mit jedem inneren Kind einzel und das würde ich auch empfehlen, weil man sonst das Kind nicht so versorgen kann, wie's für dieses jeweilige Kind richtig wäre. Die inneren Kinder sind unterschiedlich und haben unterschiedliche Bedürfnisse, man sollte sie da abholen, wo sie stehen. Mein Schematherapeut hat auch gemeint: "Lassen Sie die Kinder erst mal jammern, sich ausheulen. Versuchen Sie nicht sofort, die still zu kriegen und zu beruhigen. Das  ginge zu schell für die Kinder, die fühlen sich dann abgebügelt. Hören Sie ihnen ruhig ein wenig zu, nehmen Sie Anteil, seien Sie da, schenken Sie ihnen Zeit, um ihre Sorgen und Nöte anzuhören, dann erst langsam aus den leidenden Gefühlen rausführen und ablenken, mit etwas, was ihnen Freude macht.".

Es ist wie mit echten Kindern auch, nur, dass man halt schwer traumatisierte Kinder zu versorgen hat, die brauchen es etwas anders als gesunde reale Kinder.

Und ja, es ist sicher nicht die Schuld von Patienten, dass so dumm und verschwommen über Traumata und innere Kinder und Anteile geschrieben wird, sondern dieser Therapieschulenwahnsinn. Mein Traumatherapeut hat gemeint: "Frau GGG, das heißt in jedem Lehrbuch anders. Jedes Fachbuch hat dafür wieder eine andere Terminologie. Oft meinen sie aber alle das Gleiche, nur wird's unterschiedlich getauft.".

Bei den ganzen Therapieformen kann man nur wirr im Kopf werden. Die systemische Theorie spricht vom System Familie, Arbeit, Gesellschaft oder sonst was. In der hypnosystemischen Therapie wird dann vom System der inneren Familie gesprochen, wo's auch innere Kinder gibt.

Wer soll da noch peilen, worum es geht???

Das eigentlich Wichtige an der Arbeit mit inneren Kindern ist, dass man versteht, dass die negativen Gefühle, die da sind, zum Kinder-ich gehören, dass damals im Trauma entstanden ist und das jetzt noch immer im Trauma feststeckt, dem es schlecht geht, das Angst hat und jetzt Schutz und Versorgung braucht und dass man mit Skills, Meditation, Ausdauersport usw... das Gehirn dafür präpariert, dass das Großhirn mit seinen exekutiven Funktionen gestärkt wird, so dass es einen starken erwachsenen Modus/Anteil gibt, der diese verletzten Kinder auch versorgen kann und nicht mehr von ihrem Leid weggedrückt wird, denn dann wäre das Kind allein vorne und dann geht's der Gesamtpersönlichkeit natürlich dreckig, ist arbeitsunfähig und funktioniert nicht.

Wenn man also sein Leben und sein Gefühlsleben unter Kontrolle kriegen will, dann muss man sich beibringen, wie man mit den inneren Kindern und Anteilen umgehen muss, dass die beruhigt sind, sich sicher fühlen, dass sie möglichst erst gar nicht angetriggert werden, bzw. man sie schnell beruhigen kann, wenn sie hochgekommen sind.  Das lernt man größtenteils auch in der DBT, aber die DBT reicht nicht aus, wenn man innere Kinder hat, denn die sind stärker als das, was die DBT kann. Da braucht's dann noch zur DBT noch mehr dazu.

Hoffe, es war jetzt nicht zu oberlehrerhaft. Aber dieses Durcheinander bei den  Begrifflichkeiten macht nur, dass keiner mehr weiß, worum es eigentlich geht und das hilft echt keinem weiter.

Hier geht's ja. Aber in anderen Foren wird z.T. echt Unfug darüber geschrieben. Manche Blogs verkünden seitenweise, dass sie es verstanden hätten, dabei erklären sie es die ganze Zeit falsch.... Na ja, so schafft man, dass diese Erkrankungen nie wirklich anerkannt werden, wenn jeder Hinz und Kund darüber völlig falsch berichtet und auch viel nur über Gefühle gesagt wird, aber nichts über die Hintergründe, was da im Gehirn passiert.

Ich würde, wenn da ab und zu dieses Mädchen ist, vielleicht mal was für sie kaufen  und es ihr zeigen und dann hinlegen, warten, ob sie das holt. Ein Stofftier z.B.

So machen, wie man es mit einem echten Kind auch tun würde, das irgendwo total alleine rumirrt.

Hast Du kein Mitgefühl mit ihr, fühlst Du nichts, wenn sie da so alleine ist? Springen Deine Spiegelneuronen noch nicht auf sie an? Wie denkst Du, wie es ihr geht, wenn sie da allein ist? Was denkst Du, warum taucht sie auf, was will sie Dir mitteilen und zeigen? Welche Stimmung ist da, wenn Du sie betrachtest und sie ist allein? Sieht sie traurig aus? Was würdest Du ihr denn sagen wollen?

Auch wenn sie nur in Deinem Geist lebt, sie lebt. Sie ist echt, sie ist ein Kind und nicht nur ein Hirngespinnst. Sie lebt als Persönlichkeit in Deinem Gehirn, in Deinem Körper, in Deinem Leben, in Deiner Welt. Ich hab' die anfangs als kleine Schwestern gesehen, um die ich mich kümmern wollte und sollte und musste. Später als eigene Kinder. Als mich selbst kann ich sie noch immer nicht sehen, vielleicht passiert auch das irgendwann.

GlG, hoffe, es ist was dabei, was hilft....

GGG


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